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Weg mit dem Ehegattensplitting!

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Nichts hat die Gleichstellung der Frau so sehr behindert wie das Ehegattensplitting. Dass einige Abgeordnete der Union es nun auch auf gleichgeschlechtliche Paare übertragen wollen, ist einerseits überfällig, andererseits aber zementiert es ein vollkommen überholtes gesellschaftliches Modell.

Gehen wir also zurück in die 60er Jahre, als die Regierung Adenauer das Ehegattensplitting eingeführt hat. Nicht freiwillig, sondern aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes. Stand der Dinge war damals noch die von den Nationalsozialisten eingeführte gemeinsame Veranlagung der Ehepartner. Auch sie war in ihrem Kern nicht Steuer- sondern Gesellschaftspolitik: Die Nazis wollten Frauen am Herd, und nicht im Beruf. Und so ersetzten sie die Individualbesteuerung der Weimarer Republik durch die Zusammenveranlagung. Weil bei höherem Einkommen auch höhere Steuersätze fällig waren, lohnte es sich für Frauen kaum mehr, zu arbeiten.

Das System war äußerst perfide, weil sich kaum einer – und leider auch kaum eine – die Mühe machte, es zu durchschauen. Zuerst wurde mit das Einkommen des Mannes mit den niedrigen Steuersätzen versteuert.  Arbeitete die Frau nun zusätzlich, wurde ihr Einkommen dazu addiert und mit den höheren, progressiven Sätzen versteuert.  Von jeder Mark, die frau verdient hat, blieben ihr aufgrund der höheren Steuern weit weniger als ihrem Mann. Und der sagte dann einfach: „Das lohnt sich nicht. Bleib lieber zuhause bei den Kindern und koch mir pünktlich mein Abendessen.“

Diese zwei Sätze bestimmten das Schicksal von Millionen von Frauen im 20. Jahrhundert in Deutschland. Denn das Ehegattensplitting verschärfte die Lage zusätzlich: Nun bekam der Mann einer nicht arbeitenden Gattin auch noch deren Freibetrag angerechnet und konnte so seine Steuern noch weiter senken – aber eben nur, wenn die Frau zuhause blieb. Selbst im Jahr 2012 beträgt der maximale Splittingvorteil einer Einverdiener-Ehe noch immer knapp 8000 Euro.

Nur wenige Frauen konnten sich dem Satz „Schatz, das Arbeiten lohnt sich nicht für Dich. Bleib doch zuhause bei den Kindern“ entziehen. Dazu mussten sie darauf bestehen, dass ihr persönlicher Freibetrag nicht auf der Steuerkarte ihres Mannes, sondern auf ihrer eigenen eingetragen wurde. Und die richtige Steuerklasse wählen. Schon das haben nur sehr wenige überhaupt hinbekommen. Und die, die es geschafft hatten, mussten sich dann mit ihren empörten Männern auseinandersetzen, die dadurch plötzlich viel höhere Steuern bezahlen mussten. Spätestens da sind viele wieder eingeknickt.

So hat dieses seltsame – und außerhalb Deutschland kaum bekannte Konstrukt des Ehegattensplittings – eine absolut verheerende gesellschaftspolitische Wirkung, die noch immer weitgehend unterschätzt wird. Über Jahrzehnte zementierte sie die Position des Mannes als Alleinverdiener in der Familie –mit allen verheerenden Konsequenzen bis hin zur Altersarmut der Frauen, die selbst nie verdient haben und nun entweder auf den Versorgungsausgleich durch ihren Gatten oder Ex-Gatten angewiesen sind oder auf dessen Rente.

Gesellschaftspolitisch ist es deshalb keine Frage, dass das Ehegattensplitting dringend abgeschafft gehört und entweder durch ein Realsplitting oder ein Familiensplitting ersetzt gehört. Dass die Gruppe der 17 CDU-Abgeordneten (und inzwischen mit Dagmar Wöhrl sogar eine CSU-Abgeordnete) es nun auch auf eingetragenen Lebenspartnerschaften ausdehnen will, ist zwar auf der einen Seite ein überfälliger Akt der Fairness gegenüber homosexuellen Paaren.

Doch auf der anderen Seite zementiert das ein äußerst rückschrittliches Gesellschaftsmodell, das einen Partner zum Arbeiten schickt und den anderen im Haus fesselt.  Insofern kann der Aufruf der 17 allenfalls ein Weckruf für die Union sein, auch in Sachen Familienbesteuerung endlich mal im 21. Jahrhundert anzukommen. Und das kann nur heißen: Weg mit dem Ehegattensplittung!

P.S.: Für alle, die steuertechnisch Nachholbedarf haben: Deutschland hat ein progressives Steuersystem. Je mehr jemand verdient, desto höher werden die Steuersätze auf dieses zusätzliche Einkommen.  Jeder hat einen Grundfreibetrag von 7664 Euro im Jahr. Nehmen wir an, der Mann verdient 15000 Euro. Dann muss er auf das Einkommen über dem Betrag von 7664 Euro Steuern bezahlen. Heiratet er jedoch eine Frau, die danach zuhause bleibt und nichts verdient, bekommt er ihren Freibetrag dazu und – simsalabim – zahlt er keine Steuern mehr (weil sein Freibetrag dann ja 2 mal 7664 Euro, also 15328 Euro beträgt). Wenn die Frau dann aber doch beschließt, zu arbeiten, wird ihr Einkommen zu seinem hinzugerechnet und progressiv – also je mehr, desto höher – besteuert. In unserem Rechenbeispiel würde das bedeuten, dass der Mann bei einem Einkommen von 15000 Euro null Steuern bezahlt, die Frau aber bei einem Einkommen von sagen wir, 5000 Euro, Steuern zahlen muss. Und dann folgt eben der verflixte Satz: „Schatz, das lohnt sich nicht. Bleibt zuhause und koch für mich!“


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